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Bauschlichtung § Rechtslage, Ablauf & Kosten

Soll ein Bauvorhaben realisiert werden, kommt es immer wieder zu Konflikt zwischen Bauherren und Unternehmern. Besonders oft ergeben sich dabei Streitigkeiten rund um die geschuldete Vergütung (Bauabrechnungsstreit) oder die Bauzeit. Um solche Streitigkeiten beizulegen, können oder müssen die streitenden Parteien ein Bauschlichtungsverfahren durchlaufen, bevor der Streit vor Gericht landet. Wie das Schlichtungsverfahren rund um den Bau abläuft, welche Kosten dafür anfallen und wann es entbehrlich ist, erfahren Sie im Folgenden.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage der Bauschlichtung und des Schlichtungsverfahrens

Soll ein Bauvorhaben realisiert werden, schliessen Bauherren eine Vielzahl von Verträgen rund um den Bau ab. Oft geht es bei solchen Bauverträgen um viel Geld und das Vorhaben soll möglichst zügig umgesetzt werden – Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauherren und Unternehmern über Vergütung oder die Erfüllung von vertraglichen Pflichten lassen daher oft nicht lange auf sich warten. Entstehen Streitigkeiten um einen Bau, ist die Schlichtung eine Möglichkeit, solche Streitigkeiten ohne ein „echtes“ Gerichtsverfahren aufzulösen.

Allerdings stellt das Schlichtungsverfahren oft nicht nur eine Möglichkeit dar, Streitigkeiten um den Bau gütlich beizulegen. Vielmehr ist es oft sogar gesetzlich vorgeschrieben. Art. 197 Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt nämlich, dass ein Bauschlichtung zu durchlaufen ist, bevor eine Klage erhoben und der ordentliche Prozessweg im Zuge eines Bauzivilprozesses beschritten werden kann. In vielen Fällen ist der Gang zur kantonalen Schlichtungsstelle daher obligatorisch. Rund um Bauangelegenheiten ist ein Bauschlichtung daher immer dann nötig, wenn es um:

  • Forderungsklagen oder Konsumenten Streitigkeiten (Streitigkeiten rund um geschäftliche Beziehungen etwa aus Kauf- oder Werkverträgen)
  • Arbeitsrechtliche Streitigkeiten rund um Arbeitsverhältnisse, Löhne, Kündigungen oder Ähnliches
  • Feststellungsklagen (Streitigkeiten darüber, ob eine bestimmte Forderung oder ein Rechtsverhältnis überhaupt besteht)

geht. Hieraus ergibt sich, dass die Bauschlichtung prinzipiell bei quasi allen Streitigkeiten rund um ein Bauvorhaben zu durchlaufen ist. Zu beachten ist allerdings, dass die Pflicht, vor Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges ein Bauschlichtung zu durchlaufen, in manchen Fällen entfallen kann. Zum einen kann der Kläger auf das Schlichtungsverfahren verzichten, wenn der Beklagte seinen Wohn- bzw. Geschäftssitz im Ausland hat oder sein Aufenthaltsort unbekannt ist. Zum anderen können sich die streitenden Parteien gemäss Art. 199 Zivilprozessordnung (ZPO) auf einen Verzicht auf das Schlichtungsverfahren einigen, wenn es um einen Streitwert von mindestens CHF 100’000 geht. Zudem muss immer bedacht werden, dass Baustreitigkeiten  die auf unsachgemässe Arbeiten zurückzuführen sind, nur dann vor der Schlichtung geregelt werden können, wenn Sie nicht selbst verursacht (Pfusch am Bau) sind.

Hohe Streitwerte machen eine Bauschlichtung oft entbehrlich

Entstehen rund um ein Bauvorhaben Streitigkeiten, geht es oft um hohe Summen. Dementsprechend können sich die streitenden Parteien oft auf einen Verzicht auf das Schlichtungsverfahren gemäss Art. 199 Zivilprozessordnung einigen. So haben sie die Möglichkeit, den Streit direkt vor Gericht auszutragen.

Streit um den Bau: Die Bauschlichtung und ihr Ablauf

Haben sich die Parteien auf die Durchführung einer Bauschlichtung geeinigt oder müssen sie das Verfahren durchlaufen, muss das Verfahren durch den Kläger eingeleitet werden. Hierzu muss der Kläger sich mündlich oder schriftlich an die Schlichtungsbehörde des zuständigen Kantons wenden. In seinem Schlichtungsbegehren muss der Kläger darlegen, was genau er von dem Beklagten fordert (Rechtsbegehren) und worum genau gestritten wird (Streitgegenstand).

Ist das Begehren des Klägers bei der Schlichtungsstelle eingegangen, bearbeitet die Schlichtungsstelle dieses und beraumt einen Termin zur Schlichtungsverhandlung an. Zu dem Termin werden beide Parteien gemäss Art. 203 Zivilprozessordnung (ZPO) geladen. Beide Parteien müssen zu dem anberaumten Termin persönlich erscheinen. Sie haben selbstverständlich die Möglichkeit, sich durch einen Anwalt begleiten zu lassen.

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Bauschlichtung findet während der Schlichtungsverhandlung statt

Während der nicht öffentlichen Schlichtungsverhandlung versuchen die Parteien mithilfe der Schlichtungsbehörde eine einvernehmliche Streitlösung zu finden. Ziel der Verhandlung ist eine Aussöhnung der streitenden Parteien. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt die Schlichtungsbehörde eine rechtliche Einschätzung der Situation vor. Sie macht den Parteien deutlich, welche Chancen beide Parteien – ihrer Einschätzung nach – in einem späteren Gerichtsprozess haben würden. Haben beide Parteien ihre Positionen dargelegt und hat die Schlichtungsstelle ihre Einschätzung klargemacht, kann das Schlichtungsverfahren erledigt werden. Dabei sind folgende Erledigungsarten denkbar:

  • Der Kläger verzichtet auf eine Klage
  • Der Beklagte erkennt die Forderungen des Klägers an
  • Der Kläger zieht die Klage zurück – behält sich aber vor, zu einem späteren Zeitpunkt Klage zu erheben
  • Die Parteien einigen sich und schliessen einen Vergleich – sie treffen sich sozusagen in der Mitte
Klagebewilligung bei erfolglosem Schlichtungsverfahren

Kann keine Einigung gefunden werden, ist das Schlichtungsverfahren erfolglos verlaufen. Der Kläger erhält sodann eine Klagebewilligung und kann den ordentlichen Rechtsweg beschreiten.

Wer ist für die Bauschlichtung zuständig?

Für das obligatorische Schlichtungsverfahren sind die Friedensrichterinnen und Friedensrichter der Kantone zuständig und führen dieses durch. In manchen Kantonen ist die Bezeichnung „Gemeinderichter“, „Vermittler“ oder „Schlichtungsbehörde“ gebräuchlicher – hinter den Begriffen verbirgt sich jedoch die gleiche Institution. In welchem Kanton die Bauschlichtung durchzuführen ist, richtet sich nach den Art. 9 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Das bedeutet:

  • Besteht eine Streitigkeit mit einer natürlichen Person, ist die Schlichtungsbehörde am Wohnsitz des Beklagten zuständig
  • Ist eine juristische Person die Beklagte, ist die Schlichtungsbehörde an deren Sitz zuständig

Die Kosten für ein baurechtliches Schlichtungsverfahren

Das Bauschlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörden ist kostenpflichtig. Handelt es sich um ein vermögensrechtliche Streitigkeit (das bedeutet meist: Die Parteien streiten um eine bestimmte Geldsummer), richtet sich die anfallende Gebühr nach dem Streitwert. Die Höhe der Gebühr bewegt sich zwischen CHF 65 und 1’240. Bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten bewegt sich die Gebührenhöhe zwischen CHF 100 und 850.

Aufteilung der anfallenden Kosten

Damit die Schlichtungsbehörde tätig werden kann, muss die klagende Partei einen Kostenvorschuss leisten. Wird im Rahmen der Bauschlichtung eine Einigung erzielt, können die anfallenden Kosten aber zwischen den Parteien aufgeteilt werden.

So kann ein Anwalt im Rahmen der Bauschlichtung weiterhelfen

Geht es um ein Bauschlichtung, kann anwaltlicher Rat in mehrerlei Hinsicht hilfreich sein. Zum einen kann Sie ein spezialisierter Anwalt zur Schlichtungsverhandlung begleiten, diese gemeinsam mit Ihnen vorbereiten und Ihnen während der Verhandlung zur Seite stehen. So ist sichergestellt, dass Sie Ihre Position während der Verhandlung bestmöglich vertreten können. Zum anderen kann Ihnen ein Anwalt aber auch dann weiterhelfen, wenn Sie auf eine Klage und damit auch auf ein offizielles Bauschlichtungsverfahren verzichten möchten. In diesen Fällen haben Sie die Möglichkeit, eine „private“ Bauschlichtung durchzuführen.

Im Rahmen der privaten Schlichtung versuchen Sie, gemeinsam mit einem auf das Baurecht spezialisierten Anwalt und der anderen Streitpartei eine einvernehmliche Lösung Ihres Konflikts zu erreichen. Diese Vorgehensweise ist bei komplexen Bauvorhaben oft sinnvoll. Schliesslich kann ein auf das Baurecht spezialisierter Anwalt die Streitigkeit oft besser einschätzen als die kantonale Schlichtungsbehörde. Sind die widerstreitenden Positionen klar, kann der Anwalt Ihnen dabei helfen, die Streitigkeit im Einvernehmen mit der anderen Partei aussergerichtlich zu lösen und eine entsprechende Vereinbarung zu formulieren.

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FAQ: Bauschlichtung

Kommen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauherren und Unternehmern rund um ein Bauvorhaben auf, dient die Bauschlichtung dazu, die Streitigkeiten einvernehmlich beizulegen. Auf diese Weise kann ein „echtes“ Gerichtsverfahren vermieden werden.
Für die Durchführung des Schlichtungsverfahren sind die Friedensrichter der Kantone zuständig. In manchen Kantonen werden diese Stellen auch als „Gemeinderichter“, „Schlichtungsbehörde“ oder „Vermittler“ bezeichnet. Örtlich ist die Schlichtungsstelle des Kantons für die Bauschlichtung zuständig, in welchem der Beklagte seinen(Wohn-)Sitz hat.
Grundsätzlich muss ein Bauschlichtungsverfahren durchlaufen werden, bevor Klage erhoben und der ordentliche Prozessweg beschritten werden kann. Geht es allerdings um einen sehr hohen Streitwert von über CHF 100‘000 können sich die streitenden Parteien darauf einigen, auf das Schlichtungsverfahren zu verzichten.
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