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Baumängel § Rechtslage, Definition & Mängelrüge

Zum Leidwesen vieler Bauherren sind die Begriffe „Bauen“ und „Mangel“ eng miteinander verbunden. Schliesslich kommt es nur in den aller seltensten Fällen vor, dass bei der Errichtung eines Bauwerks keine Baumängel auftreten. Wann genau ein Baumangel vorliegt, welche Rechte Bauherren im Falle der Mangelhaftigkeit ihres Gebäudes haben und was es bei der Geltendmachung von Mängelansprüchen zu beachten gibt, klären wir im Folgenden.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage & Definition von Baumängel

Von Baumängeln ist immer dann die Rede, wenn der Ist-Zustand eines errichteten Gebäudes vom vertraglich geschuldeten Soll-Zustand abweicht. Das ist dann der Fall, wenn dem Gebäude zugesicherte Eigenschaften fehlen oder das Gebäude nicht so genutzt werden kann, wie zu erwarten gewesen wäre. Liegt ein Baumangel vor, ergibt sich daraus regelmässig eine Wertminderung des Gebäudes. Möglich ist ausserdem, dass das Gebäude aufgrund des Mangels insgesamt nicht gebrauchsfähig ist. Beides ist gravierend, sodass der Bauherr einen Baumangel nicht einfach akzeptieren muss.

Stattdessen stehen dem Bauherrn bestimmte Mängelrechte zu, die er gegenüber dem Unternehmer geltend machen kann. Die Mängelrechte des Bauherrn ergeben sich dabei aus Art. 367 ff. Obligationenrecht (OR) bzw. Art. 169 SIA-Norm 118. Ob in diesem Zusammenhang die SIA-Norm 118 (ein Regelwerk des schweizerischer Ingenieur- und Architektenvereins) oder das Obligationenrecht zur Anwendung kommen, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Bauherr ab. Die SIA-Norm kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien dies ausdrücklich vertraglich vereinbart haben. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist das Obligationenrecht anwendbar.

Wann liegt ein Mangel vor?

Ein Bauwerk ist immer dann mangelhaft, wenn es ausdrücklich vereinbarte Eigenschaften nicht aufweist oder Eigenschaften, die jedes Bauwerk grundsätzlich aufweisen muss, nicht vorliegen.

Sowohl nach dem Obligationenrecht als auch nach der SIA-Norm 118 können dem Bauherrn im Falle der Mangelhaftigkeit, zum Beispiel ei «Pfusch am Bau» jedoch ein Recht auf Nachbesserung, die Minderung des Werkpreises, die Wandelung oder das Recht auf Rücktritt vom Vertrag zustehen.

Der Zeitpunkt der Abnahme ist entscheidend

Die Errichtung eines Bauwerks oder der Umbau eines vorhandenen Gebäudes finden nicht über Nacht statt. Dementsprechend kann das Bauwerk nicht über den gesamten Bauprozess hinweg mangelfrei sein. Vielmehr entwickelt es sich von einem – zum Wohnen ungeeigneten – Rohbau zu einem im Idealfall mangelfreien Wohngebäude. Auf dem Weg dorthin sind Mängel normal – spätestens zum Zeitpunkt der Abnahme muss der Bau allerdings mangelfrei sein. Ausserdem beginnen im Falle der Mangelhaftigkeit die Fristen, innerhalb derer der Bauherr seine Mängelansprüche geltend machen muss, ab diesem Zeitpunkt zu laufen.

Wann genau der entscheidende Zeitpunkt der Abnahme vorliegt, richtet sich danach, ob Bauherr und Unternehmer vereinbart haben, dass die SIA-Norm 118 auf ihren Vertrag anwendbar sein soll oder nicht. Wurde diese Vereinbarung getroffen, ergibt sich der Zeitpunkt, an dem Mangelfreiheit vorliegen muss, aus der SIA-Norm 118. Ist eine solche Regelung nicht getroffen, legt das Obligationenrecht fest, wann Mangelfreiheit vorliegen muss und welche Fristen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen gelten.

Bei Anwendbarkeit der SIA-Norm 118

Haben Bauherr und Unternehmer vereinbart, dass die SIA-Norm 118 auf ihren Bauwerkvertrag anwendbar sein soll, muss das Bauwerk zum Zeitpunkt der Abnahme mangelfrei sein. Ob das der Fall ist, wird von Bauherr und Unternehmer gemeinsamen im Rahmen der Abnahme (Art. 157 SIA-Norm 118) geprüft. Sie findet statt, nachdem der Bauherr anzeigt, dass er das Bauwerk vollendet hat. Stellt sich bei der gemeinsamen Prüfung heraus, dass keine oder nur unwesentliche Mängel vorliegen, gilt das Bauwerk mit Vollendung der Prüfung als abgenommen. Die unwesentlichen aber gerügten Mängel muss der Unternehmer innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen. Werden Mängel bereits bei der Abnahme vom Bauherrn bemerkt, aber nicht gerügt, gelten sie als genehmigt – der Unternehmer muss für diese Mängel nicht haften.

Ohne Anwendbarkeit der SIA-Norm 118

Haben Bauherr und Unternehmer nicht vereinbart, dass die SIA-Norm 118 auf ihren Vertrag anwendbar sein soll, findet stattdessen das Werkvertragsrecht des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) Anwendung. Das Obligationenrecht sieht dabei nicht vor, dass Unternehmer und Bauherr das Bauwerk gemeinsam prüfen – dennoch muss es aber dennoch mangelfrei sein.

Prinzipiell muss die Mangelfreiheit bereits bei Übergabe des Bauwerks durch den Unternehmer vorliegen. Allerdings beginnt die für den Bauherrn wichtige Frist zur Geltendmachung seiner Mängelansprüche nicht bereits ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Vielmehr muss der Bauherr das Bauwerk „sobald es nach üblichem Geschäftsgang tunlich erscheint“ prüfen und die entdeckten Mängel rügen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Rügefrist zu laufen.

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Mängelrüge und einzuhaltende Fristen

Stellt sich heraus, dass ein Bauwerk bereits bei Abnahme durch den Unternehmer mangelhaft war, können sich daraus Mängelansprüche ergeben. Sie umfassen insbesondere das Recht auf Beseitigung des Mangels oder Werkpreisminderung. Allerdings entstehen diese Ansprüche nur dann, wenn der Bauherr das Vorliegen des Baumangels gegenüber dem Unternehmer im Rahmen einer Mängelrüge beanstandet. Im Rahmen der Mängelrüge muss der entdeckte Mangel benannt und beanstandet werden. Wann die Mängelrüge dem Unternehmer zugehen muss, richtet sich danach, ob die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 auf den Vertrag zwischen Unternehmer und Bauherr vereinbart worden ist.

Frist zur Erhebung der Mängelrüge bei Anwendbarkeit der SIA-Norm 118

Ist die SIA-Norm 118 auf den geschlossenen Vertrag anwendbar, führen Bauherr und Unternehmer regelmässig gemeinsam eine Abnahme des Bauwerks durch. Mängel, die im Rahmen der Abnahme entdeckt werden, sollten durch den Bauherrn sofort gerügt werden. Allerdings hat der Bauherr bei Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 die Möglichkeit, auch später auf offene (leicht erkennbare) Mängel aufmerksam zu machen. Insgesamt kann er sie innerhalb von 2 Jahren ab Abnahme jederzeit rügen. Allein Mängel, die weitere Schäden nach sich ziehen könnten, muss der Bauherr sofort (regelmässig innert 3 Tagen) rügen. Werden sogenannte versteckte Baumängel sichtbar, müssen diese sofort nach Entdeckung gerügt werden.

Wann liegen versteckte Baumängel vor?

Ein versteckter Baumangel liegt dann vor, wenn der Mangel zwar bereits im Bauwerk angelegt war aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar wurde.

Frist zur Erhebung der Mängelrüge ohne Anwendbarkeit der SIA-Norm 118

Soll die SIA-Norm 118 keine Anwendung auf den Vertrag finden, richtet sich die Frist zur Erhebung der Mängelrüge nach dem Werkvertragsrecht des Obligationenrechts (OR). In diesem Fall sind alle Arten von Mängeln gemäss Art. 370 Abs. 3 Obligationenrecht (OR) sofort nach ihrer Entdeckung zu rügen. Je nach Art des Mangels muss die Rüge dabei regelmässig innert 3 bis 7 Tagen erfolgen.

Diese Verjährungsfristen für Baumängel gelten

Als Bauherr müssen Sie zum einen die Frist zur Erhebung der Mängelrüge beachten. Zum anderen können aber auch die unabhängig von der Anwendbarkeit des Obligationenrechts oder der SIA-Norm 118 geltenden Verjährungsfristen für Mängelansprüche für Sie relevant werden. Das hat folgenden Grund:

  • Mängel, die Sie nach Übergabe oder Abnahme eines Bauwerks entdecken, können Sie nicht für unbegrenzt lange Zeit rügen. Vielmehr gelten folgende Fristen:
  • Ist die SIA-Norm 118 anwendbar, gilt eine Frist von 2 Jahren für offene und eine Frist von 5 Jahren für versteckte Baumängel
  • Ist die SIA-Norm 118 nicht anwendbar, gilt bei beweglichen Bauten eine Verjährungsfrist von 2 und bei unbeweglichen Bauwerken von 5 Jahren
  • Wurden Baumängel durch den Unternehmer oder seine Subunternehmer absichtlich verschwiegen, verlängert sich die Verjährungsfrist auf insgesamt 10 Jahre

Ist die Verjährung eingetreten und beruft sich der Unternehmer hierauf, können Sie Ihre Ansprüche vor Gericht in einem Baumängel- Prozess nicht mehr durchsetzen. Allerdings können Sie die Verjährungsfrist unterbrechen, indem Sie einen gerichtlichen Baumängel-Prozess rechtzeitig einleiten.

So kann ein Anwalt bei Baumängeln helfen

Baumängel können gravierende Folgen haben. Sie können den Wert ihres Bauwerks mindern, grössere Schäden verursachen oder Ihre zukünftigen Mieter dazu berechtigen, einen niedrigeren Mietzins zu zahlen. Für Sie als Bauherr und Gebäudeeigentümer kann es daher sinnvoll und ratsam sein, bei Vorliegen von Baumängeln einen spezialisierten Anwalt einzuschalten.

Zum einen kann der Anwalt sicherstellen, dass sowohl die Fristen zur Erhebung der Mängelrüge als auch die für die Verjährung relevante Rügefrist eingehalten werden. So stellen Sie sicher, Ihre Mängelansprüche nicht versehentlich wegen eines Fristablaufs zu verlieren. Ausserdem kann ein sachverständiger, auf das Baurecht spezialisierter Anwalt dabei helfen, Mängelrügen klar und präzise zu formulieren. Das kann dabei helfen, langwierige Streitereien mit dem Unternehmer durch eine Bauschlichtung zu vermeiden. Auch ein Baumängel-Gutachter, dessen Einsatz zusätzliche Kosten entstehen lässt, muss eventuell nicht eingeschaltet werden, wenn Sie Ihre Mängelrüge fachkundig und präzise durch einen Anwalt für Baumängel formulieren lassen.

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FAQ: Baumängel

Ein Baumangel liegt dann vor, wenn der Ist-Zustand eines errichteten Gebäudes nachteilig vom vertraglich geschuldeten Soll-Zustand abweicht. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Gebäude nicht nutzbar ist oder zugesicherte Eigenschaften nicht aufweist.
Liegt ein Baumangel vor, kann der Bauherr vom Bauunternehmer verlangen, dass dieser den Mangel beseitigt. Ausserdem kann dem Bauherren ein Recht auf Minderung, Wandelung oder Rücktritt vom Vertrag zustehen.
Ab Abnahme des Bauwerks hat der Bauherr 2 bzw. 5 Jahre Zeit, um Mängel am Gebäude zu entdecken und sie zu rügen. Welche Frist dabei gilt, richtet sich nach der Art des Mangels bzw. nach Art des errichteten Bauwerks.
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