Bauzivilprozess § Rechtslage, Ablauf & Kosten
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Die Errichtung eines Bauwerkes ist ein komplexer Vorgang. Er erfordert das Zusammenwirken vieler Personen, die für unterschiedliche Bereiche rund um den Bau verantwortlich sind, dennoch aber zusammenarbeiten müssen. Es liegt auf der Hand, dass rund um den Bau verschiedenste technische, organisatorische oder gestalterische Probleme und Schäden auftauchen können. Die Frage, wer für aufgetretene Schäden verantwortlich ist und wer entstehende Kosten zu tragen hat, kann oft nur ein Bauzivilprozess endgültig klären.
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Bauzivilprozess ist ein Gerichtsverfahren bei dem es um Streitigkeiten im Zusammenhang mit privatem Baurecht geht
- Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können an einem Bauzivilprozess beteiligt sein
- Es gibt kein Gesetz, das den Bauzivilprozess gesondert regelt – daher sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung auf den Bauzivilprozess anwendbar
Rechtslage & Definition des Bauzivilprozess
Der Bauzivilprozess – oft auch kurz „Bauprozess“ genannt – ist ein ordentliches Gerichtsverfahren, bei dem es um Streitigkeiten rund um das private Baurecht geht.
Obwohl Bauzivilprozesse oft komplexe Verfahren sind, bei denen es um technische, tatsächlichen und rechtliche Streitfragen geht und im Rahmen derer sogar mehr als ein Gerichtsgutachten erforderlich sein kann, sind sie dennoch „gewöhnliche“ Zivilprozesse.
Die Begriffe „Bauzivilprozess“ und „Bauprozess“ werden oft synonym verwendet und meinen Gerichtsverfahren, bei denen es um Streitigkeiten des privaten Baurechts geht. Zu beachten ist allerdings, dass der Begriff „Bauprozess“ in diesem Zusammenhang weniger präzise ist. Als „Bauprozess“ wird oft nämlich auch der Bauvorgang insgesamt – also die Planung und Errichtung eines neuen Gebäudes – bezeichnet.
Worum geht es bei einem Bauzivilprozess?
Möchten Sie ein Eigenheim oder ein anderes Bauwerk errichten lassen, ist das ein langwieriger Prozess. Schliesslich werden viele verschiedene Arbeitsschritte erforderlich, die zwar ineinander greifen, dennoch aber von verschiedenen Personen erledigt werden. Es liegt auf der Hand, dass es rund um die Bautätigkeit daher zu verschiedensten Problemen und Streitigkeiten kommen kann. Alle Streitigkeiten, die dabei zwischen Ihnen als Bauherr und am Bau beteiligten Handwerkern oder Unternehmen sowie denen am Bau Beteiligten untereinander entstehen, können Gegenstand eines Bauzivilprozesses sein wie zum Beispiel eine Bauverzögerung. Besonders oft sind jedoch folgende Streitigkeiten Grund für einen Bauzivilprozess:
- Streitigkeiten rund um Baumängel: Bei solchen Streitigkeiten geht es um die mangelhafte Bauausführung und um die Frage, wer für daraus entstehende Kosten aufkommen muss. Strittig kann oft auch sein, ob eine rund um den Bau erbrachte Leistung überhaupt mangelhaft ist oder nicht.
- Streitigkeiten um schadhafte Bauteile
- Streitigkeiten rund um Werk Löhne: Streitigkeiten über Werk Löhne (Bauabrechnungsstreit) sind besonders oft Gegenstand von Bauzivilprozessen. Besonders oft treten sie dann auf, wenn Werk Löhne aus bestimmten Gründen nicht oder verspätet gezahlt werden, sie aus bestimmten Gründen gemindert werden oder unklare Vereinbarungen rund um den Werklohn getroffen worden sind.
Ablauf: Der Bauzivilprozess und seine verschiedenen Etappen
Soll ein Bauzivilprozess durchgeführt werden, läuft der Prozess nach fest vorgegebenen Regeln ab. Die relevanten Regelungen sind dabei zum einen der Zivilprozessordnung und zum anderen den kantonalen Vorschriften (beispielsweise zur Gerichtsorganisation) zu entnehmen. Nachfolgend führen wir die regelmässig für den Bauzivilprozess relevantesten Etappen auf. Auch auf den Inhalt der Verfahrensabschnitte gehen wird dabei ein.
Das Schlichtungsverfahren
Bei einem Bauzivilprozess handelt es sich um eine „herkömmliche“ zivilrechtliche Streitigkeit. Dementsprechend ist ein Schlichtungsverfahren zu durchlaufen, bevor bei Gericht Klage erhoben werden kann. Das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichter (oft auch Schlichtungsbehörde genannt) ist der erste Schritt zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs. In manchen Fällen kann ein Schlichtungsverfahren allerdings entbehrlich sein. Ausserdem können sich die streitenden Parteien dann, wenn es um einen Streitwert von mindestens CHF 100‘000 geht, darauf einigen, auf das Schlichtungsverfahren zu verzichten.
Muss eine Bauschlichtung durch ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden bzw. wollen die Parteien nicht darauf verzichten, wird das Verfahren selbstverständlich nicht um seiner selbst willen durchgeführt. Ziel des Verfahrens ist es vielmehr, eine gütliche Einigung zwischen den beteiligten Parteien zu erreichen und so einen Gerichtsprozess zu vermeiden. Der Friedensrichter oder die Friedensrichterin versucht daher, gemeinsam mit den streitenden Parteien einen Kompromiss zu erarbeiten. Nur dann, wenn keine gütliche Einigung erzielt werden kann, erhält der Kläger eine Prozessbewilligung. Liegt ihm die Prozessbewilligung vor, kann er den Bauzivilprozess anstossen.
Einbringung der Klageschrift
Ist das Schlichtungsverfahren durchlaufen oder ist es entbehrlich, muss die klagende Partei Klage beim örtlich und sachlich zuständigen Gericht einreichen. Die Klage muss dabei regelmässig schriftlich mittels einer Klageschrift erhoben werden. Im Rahmen der Klageschrift führt die klagende Partei schriftlich aus, welche Ansprüche sie gegenüber der Gegenseite zu haben glaubt und welche Umstände zu der Streitigkeit geführt haben. Ist die Klageschrift beim zuständigen Gericht eingegangen und geprüft, wird sie an die andere an dem Streit beteiligte Partei weitergeleitet. Die andere Partei erhält ebenfalls die Möglichkeit, sich schriftliche zu der Streitigkeit zu äussern.
Die Hauptverhandlung
Ist der Schriftwechsel erfolgt, schliesst sich die Hauptverhandlung an. Zu diesem Zweck wird ein Hauptverhandlungstermin in einem Gerichtssaal des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts anberaumt. Während der Hauptverhandlung haben die Parteien die Möglichkeit, sich zu Beginn im Rahmen von Plädoyers zu äussern. Dabei können die Parteien den streitigen Sachverhalt jeweils aus eigener Sicht schildern. Ausserdem können sie schildern, was von der jeweils anderen Partei gefordert wird.
Im Anschluss daran beginnt das Beweisverfahren. Es ist von besonderer Bedeutung und dient dazu, herauszufinden, wie sich der streitige Sachverhalt – objektiv betrachtet – tatsächlich verhält. Im Rahmen des Beweisverfahrens können durch das Gericht etwa Zeugen befragt, Dokumente eingesehen oder Experten und Gutachter gehört werden. Da es sich bei Streitigkeiten um Bauvorhaben meist um komplexe Sachverhalte handelt, kann das Beweisverfahren umfangreich und langwierig sein.
Entscheid und Begründung durch das Gericht
Hat das Gericht alle Beweise gewürdigt und haben die Parteien ihre Schlussplädoyers gehalten, ist der Bauzivilprozess abgeschlossen und das Gericht muss einen Entscheid fällen. Üblicherweise wird der gerichtliche Entscheid den Parteien schriftlich mitgeteilt. Im Rahmen seiner Entscheidung legt das Gericht auch fest, wer die Kosten des Prozesses zu tragen hat. Haben die Parteien den Entscheid erhalten, können sie das Gericht innerhalb von zehn Tagen dazu auffordern, ihnen eine Begründung des Entscheids zukommen zu lassen. Aus der Begründung geht hervor, welche Überlegungen das Gericht angestellt hat, um zu seinem Urteilsspruch zu kommen.
Ist eine Partei mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden, kann sie sich mittels Beschwerde oder Berufung gegen die Entscheidung wehren und ein nächsthöheres Gericht anrufen. Man spricht dann von einem zweitinstanzlichen Zivilprozess.
Zuständigkeit der Gerichte im Bauzivilprozess
Welches Gericht für Bauzivilprozesse zuständig ist, wird durch die Kantone geregelt. Sie legen im Rahmen eines Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) fest, welches Gericht für welche Streitigkeiten zuständig sein soll. Üblicherweise machen die Kantone die sachliche Zuständigkeit der Gerichte von bestimmten Kriterien abhängig. Zu den für die gerichtliche Zuständigkeit relevanten Kriterien gehören insbesondere
- Die Höhe des Streitwerts (Frankenbetrag, um den es bei einem Rechtsstreit geht)
- Die Art der Streitsache (z. B. Mietstreit oder Streit um ein Arbeitsverhältnis)
Im Zusammenhang mit Bauzivilprozessen ist meist der Streitwert besonders relevant. Das bedeutet: Im Kanton Zürich beispielsweise ist für Bauzivilprozesse prinzipiell erst einmal das Bezirksgericht in Form eines Einzelrichters zuständig. Übersteigt der Streitwert allerdings CHF 30′000, ist das Bezirksgericht in Form eines Kollegialgerichts sachlich zuständig.
Hieraus ergibt sich: Spezielle Sondergerichte, die auf Baustreitigkeiten spezialisiert sind, gibt es in der Schweiz nicht. Allerdings sind in einigen Kantonen Handelsgerichte, die über spezielles Fachwissen rund um Baustreitigkeiten verfügen, für Bauzivilprozesse zuständig. Was die örtliche Zuständigkeit angeht, gilt: Prinzipiell ist das Gericht des Kantons für den Prozess zuständig, in dem der Beklagte seinen Geschäfts- oder Wohnsitz hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien zuvor eine abweichende (vertragliche) Vereinbarung getroffen haben.
Kosten des Bauprozess
Welche Kosten genau für einen Bauprozess anfallen, lässt sich pauschal nicht sagen. Prinzipiell setzen sich die anfallenden Kosten jedoch aus Gerichts- und Parteikosten zusammen und sind in den Justiz-Kostenverordnungen der Kantone geregelt. Die Zuständigkeit der Kantone für die Festsetzung dieser Kosten ergibt sich aus Art. 96 Zivilprozessordnung (ZPO). Wer die Kosten des Prozesses zu tragen hat, entscheidet das Gericht. Üblicherweise müssen sie von der unterlegenen Partei getragen werden. Es ist aber auch möglich, dass das Gericht die Prozesskosten nach Ermessen auf beide Prozessparteien verteilt.
Gerichtskosten
Bei den Gerichtskosten handelt es sich um Kosten, die für Gerichtsgebühren und notwendige Auslagen anfallen. Ihre Höhe hängt oft vom Verfahren und/oder dem Streitwert ab. Hierzu ein Beispiel: Im Kanton Luzern fallen für Zivilprozesse mit einem Streitwert von über CHF 200.000 Gerichtskosten in Höhe von CHF 7.500 bis 25.000 an. An der weiten Kostenspanne zeigt sich, dass etwa sehr komplexe Verfahren bei gleichem Streitwert höhere Kosten verursachen können als eher einfache Verfahren.
Die Parteikosten
Bei Parteikosten handelt es sich um Kosten, die den Parteien aufgrund eines Gerichtsprozesses entstehen. Sie bestehen im Wesentlichen aus Honoraren und Auslagen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte plus Mehrwertsteuer. In Fällen, in denen sich Honorare für Rechtsanwälte nach dem Streitwert richten, betragen die ordentlichen Kosten für einen Anwalt im Baurecht in erstinstanzlichen Verfahren im Kanton Luzern beispielsweise 75 bis 150 Prozent der Gerichtsgebühr.
Wie kann ein Anwalt im Rahmen eines Bauzivilprozesses helfen?
.Streben Sie einen Bauzivilprozess an, ist die Unterstützung durch einen auf das Baurecht spezialisierten Anwalt dringend erforderlich. Zum einen kann Ihnen der Anwalt bei der Vorbereitung des oft komplexen und zeitintensiven Prozesses helfen und Sie vor Gericht vertreten. Auch kann er Ihnen dabei helfen, Ihre Erfolgschancen und im Zuge des Prozesses anfallenden Kosten abzuschätzen.
Überdies kann Ihnen ein spezialisierter Anwalt in vielen Fällen aber auch dabei helfen, einen Bauzivilprozess zu vermeiden. Bauzivilprozesse sind häufig langwierig und sehr kostenintensiv. Mithilfe eines Anwalts haben Sie nicht selten die Möglichkeit, einen teuren und nervenaufreibenden Prozess zu vermeiden, indem Sie sich – mit anwaltlicher Unterstützung – aussergerichtlich, etwa im Rahmen eines Vergleichs, mit der gegnerischen Partei, einigen. Oft ist das eine kostengünstige, zeit- und nervensparende Möglichkeit, eine Streitigkeit im Einvernehmen beizulegen.
FAQ: Bauzivilprozess
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