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Enteignungsrecht § Definition, Enteignungsgesetz & Arten

Unter bestimmten Voraussetzungen kann dem Staat ein Enteignungsrecht gegenüber dem Bürger zustehen. Das bedeutet: Sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Staat dazu berechtigt sein, Bürgern ihr Eigentum ganz oder teilweise zu entziehen. Unter welchen Umständen solche schweren Eingriffe in das verfassungsrechtlich besonders geschützte Eigentum möglich sind und welche Entschädigung dem Bürger im Falle einer Enteignung zusteht, erfahren Sie hier.
Inhaltsverzeichnis

Rechtslage zum Enteignungsrecht

Geht es darum, bestimmte, besonders wichtige Ziele zu erreichen, kann dem Staat ein Enteignungsrecht zur Erfüllung seiner Aufgaben zustehen. Das bedeutet: Um bestimmtes Handeln möglich zu machen, kann die öffentliche Hand das Recht haben, Privaten ihr Eigentum ganz oder teilweise zu entziehen. Das Enteignungsrecht wird im Schweizer Bundesgesetz 711 über die Enteignung (EntG) festgehalten. In diesem Gesetz werden die Voraussetzungen für eine Enteignung festgelegt. Kurz gesagt: Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Staat dazu berechtigt sein, auch Ihnen Ihr Eigentum ganz oder teilweise wegzunehmen. Obwohl der öffentlichen Hand prinzipiell ein Enteignungsrecht erteilt werden und sie eine Enteignung auch gegen Ihren Willen (in Form einer Zwangsenteignung) durchsetzen kann, müssen Sie meist nicht um Ihr Eigentum fürchten.

Definition des Enteignungsgesetzes (EntG)

Prinzipiell ist das Eigentum in der Schweiz durch die Bundesverfassung (Art. 26 BV) geschützt und garantiert. Das bedeutet: Prinzipiell soll der Staat (und selbstverständlich auch keine anderen Privaten) dazu berechtigt sein, Ihnen Ihr Eigentum nach Belieben wegzunehmen oder Sie in seiner Nutzung einzuschränken. Nichtsdestotrotz kann es aber besondere Fälle und Situationen geben, in denen eine Enteignung durch den Staat erforderlich wird.

Da das Eigentum jedoch verfassungsrechtlich durch die Eigentumsgarantie des Art. 26 BV geschützt wird, sind staatliche Eingriffe (z.B. in Form einer Enteignung) nur unter den Voraussetzungen des Art. 36 BV möglich. Aus Art. 36 BV ergibt sich insbesondere, dass Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter nur auf Grundlage von oder durch ein Gesetz möglich sind. Um ein Enteignungsrecht geordnet ausüben zu können, hat der Staat das Bundesgesetz über die Enteignung (EntG ) geschaffen. Dieses Gesetz legt genau fest, unter welchen Umständen der Staat dazu berechtigt sein soll, Enteignungen vorzunehmen. Insbesondere definiert das Enteignungsgesetz (EntG) die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine Enteignung durchführen zu können.

Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann einer Gemeinde, einem Kanton oder dem Bund ein Recht auf Enteignung erteilt werden. In diesen Fällen kann die Eigentumsgarantie der Bundesverfassung auf Grundlage des EntG in Kombination mit einem weiteren Gesetz (oder einer Verordnung) eingeschränkt oder aufgehoben werden. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Enteignungen nach dem EntG möglich sind, erfahren Sie im Folgenden.

Auch eine Nutzungseinschränkung kann eine Enteignung sein

Damit von einer Enteignung gesprochen werden kann, muss der Staat Ihnen Ihr Eigentum nicht komplett entziehen. Von einer Enteignung kann auch dann die Rede sein, wenn der Staat die Art und Weise, wie Sie Ihr Eigentum nutzen dürfen, wesentlich einschränkt.

Voraussetzungen für eine Enteignung

In der Schweiz stellt eine Enteignung immer einen Eingriff in das Grundrecht der Eigentumsgarantie dar. Solche Grundrechtseingriffe sind nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Soll ein Privater ganz oder teilweise enteignet werden oder soll er in der Nutzung seines Eigentums eingeschränkt werden, ist zuvor die förmliche Erteilung eines Enteignungsrechts erforderlich. Hierfür ist neben dem Enteignungsgesuch des Enteigners (etwa beim kantonalen Spezialverwaltungsgericht oder dem Regierungsrat beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement) auch die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erforderlich. Die drei wichtigsten Voraussetzungen für die Erteilung des Enteignungsrechts ergeben sich aus Art. 36 BV:

  • Es muss eine gesetzliche Grundlage für die Enteignung vorhanden sein
  • Es muss ein öffentliches Interesse daran bestehen, die Enteignung durchzuführen
  • Die Enteignung muss in Anbetracht aller Umstände als verhältnismäßig anzusehen sein
Das Verhältnismässig­keitsprinzip

Ob eine Enteignung rechtlich zulässig ist, hängt insbesondere davon ab, ob sie verhältnismäßig ist. Das Verhältnismässig­keitsprinzip gilt gemäss Art. 5 BV für jedes staatliche Handeln. Das Prinzip schreibt vor, dass bei allen staatlichen Maßnahmen geprüft werden muss, ob das öffentlichen Interesse an der Durchführung der Maßnahme und die Einschnitte, die ein Privater aufgrund der Maßnahme hinzunehmen hat, in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Ist der Eigentümer mit der Enteignung nicht einverstanden, kann er sich im Wege der Einsprache (vgl. Art. 33 EntG) gegen die Erteilung des Enteignungsrecht wehren. Wird trotz der Einsprache keine Einigung erzielt, kann die Enteignung auch gegen den Eigentümerwillen als Zwangsenteignung vorgenommen werden.
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Arten der Enteignung

Juristen unterscheiden zwischen zwei wichtigen Arten der Enteignung: Der formellen Enteignung und der materiellen Enteignung.

Die formelle Enteignung

Bei einer formellen Enteignung handelt es sich um einen Hoheitsakt, durch den ein geschützter Vermögenswert seinem bisherigen Eigentümer vollständig oder teilweise entzogen wird. Ausserdem gilt als formelle Enteignung, wenn der Eigentümer in der Nutzung des Vermögenswertes erheblich beschränkt wird. Kurz gesagt: Bei der formellen Enteignung wird dem Eigentümer einer Sache sein Eigentum meist weggenommen und ganz oder teilweise auf einen anderen übertragen wird.

Bei der formellen Enteignung tritt regelmässig das Gemeinwesen als Enteigner auf. Möglich ist es jedoch auch, dass ein Dritte als Enteigner auftritt, sofern ihm ein Recht auf Enteignung zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragen worden ist. Gegenstand der Enteignung können (neben dem Eigentum) auch andere vermögenswerte Rechte sein. Solche vermögenswerten Rechte sind etwa dinglichen Rechte (z.B. das Wohnrecht), der Besitz (z.B der Besitz des Mieters an einer Mietwohnung) oder vergleichbare Rechte.

Die formelle Enteignung stellt einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie dar. Sie ist daher nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage in Form eines formellen Gesetzes beruht. Mit einem formellen Gesetz ist dabei ein Gesetz gemeint, das auf dem formellen Weg des Gesetzgebungsverfahrens erlassen worden ist. Die Berufung allein auf das Enteignungsgesetz (EntG) reicht – obwohl es sich hierbei um ein formelles Gesetz handelt – nicht aus. Zusätzlich dazu müssen die oben genannten Voraussetzungen (öffentliches Interesse sowie Verhältnismässigkeit der Enteignung) vorliegen.

Die materielle Enteignung

Im Zuge einer materiellen Enteignung wird dem Enteigneten das Eigentümer an einer Sache nicht entzogen. Er bleibt weiterhin Eigentümer – allerdings wird sein Recht, die betreffende Sache frei zu nutzen, stark eingeschränkt. Die Einschränkung muss dabei so starke Auswirkungen haben, dass sie einem Entzug der Sache nahezu gleichzusetzen ist. Ein Beispiel für die materielle Enteignung: Ein Gebäude wird unter Denkmalschutz gestellt, sodass sein Eigentümer es baulich nicht mehr verändern darf.

Enteigner und Gegenstand der Enteignung sind hier mit denen bei einer formellen Enteignung identisch. Allerdings sind die Voraussetzungen der materiellen Enteignung etwas „lockerer“ als die einer formellen Enteignung. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass dem Eigentümer das Eigentum nicht vollständig entzogen wird. Das bedeutet: Auch an der materiellen Enteignung muss ein öffentliches Interesse bestehen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Darüber hinaus ist die materielle Enteignung aber bereits dann möglich, wenn eine genügende gesetzliche Grundlage für sie vorhanden ist. Anders als bei der formellen kann bei der materiellen Enteignung hier bereits eine Verordnung ausreichend sein (vgl. BGE 111 1a 98).

Entschädigung für eine Enteignung

Eine Enteignung kann schwerwiegende Konsequenzen für den Betroffenen haben: Sind Sie von einer Enteignung betroffen, verlieren Sie etwa das Eigentum an Ihrem Grundstück. Möglich ist außerdem, dass Ihre Möglichkeiten, Ihr Grundstück zu nutzen, so massiv eingeschränkt werden, dass der Grund für Sie wertlos wird. Ist der Eingriff in Ihr Eigentum schwerwiegend oder verlieren Sie es sogar komplett, müssen Sie dieses Opfer nicht ohne eine „Gegenleistung“ erbringen. Vielmehr steht Ihnen ein Recht auf eine angemessene Entschädigung zu – das ergibt sich aus Art. 26 Ans. 2 BV. Die Höhe der Entschädigung richtet sich dabei üblicherweise nach dem Verkehrs- oder Ertragswert des Enteignungs Gegenstands.

Enteignung ohne Entschädigung: Wann ist das möglich?

Obwohl eine Enteignung stets als Eingriff in die Eigentumsgarantie anzusehen ist, wird der Enteignete nicht immer entschädigt. Ganz ohne eine „Gegenleistung“ ist die Enteignung aber nur dann hinzunehmen, wenn ein Eingriff in das Eigentum weniger schwer wiegt als bei einer materiellen Enteignung. Das bedeutet: Können Sie etwa aufgrund einer polizeilichen Maßnahme, die dem Schutz der Allgemeinheit dient, Ihr Grundstück nur noch in leicht eingeschränkter Form nutzen, entsteht kein Entschädigungsanspruch.

Wie kann ein Anwalt bei Fragen zum Enteignungsrecht helfen?

Obwohl die Ausübung des Enteignungsrechts oftmals dem Bund, dem Kanton oder der Gemeinde zusteht, stellt es für den Enteigneten dennoch eine schwerwiegende Belastung dar: Obwohl er eine Entschädigung erhält, möchte er sein Eigentum oft nicht hergeben – wird von staatlicher Seite jedoch dazu gezwungen. Sind sie von einem Enteignung Vorhaben betroffen, ist es daher sinnvoll, rechtzeitig juristischen Rat einzuholen.

Ihr Rechtsanwalt hilft Ihnen dann dabei, Ihre Rechte zeitnah und effektiv wahrzunehmen. So verhindern Sie, plötzlich mit vollendeten Tatsachen konfrontiert zu werden. Außerdem kann das Hinzuziehen eines Anwalts Ihre Verhandlungsposition in einem komplexen Enteignungsverfahren stärken. Auch dann, wenn Sie bereit sind, Ihr Eigentum ganz oder teilweise an den Enteigner herauszugeben, kann Ihnen ein Anwalt helfen, eine angemessene Gegenleistung in Form einer Entschädigung dafür zu erhalten. Die Anwaltskosten können kantonal variieren.

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FAQ: Enteignungsrecht

Als Enteignung bezeichnen Juristen den vollkommenen oder teilweisen Entzug des Eigentums an einer Sache. Liegen gute Gründe dafür vor und gibt es eine gesetzliche Grundlage, kann dem Staat ein Enteignungsrecht zustehen. Dieses darf er durchsetzen und die Enteignung – falls nötig – auch gegen den Willen des Sacheigentümers durchführen.
Der Staat darf sein Enteignungsrecht nur dann geltend machen, wenn dies für die Umsetzung eines Werkes, an dem ein öffentliches Interesse besteht, notwendig ist. Außerdem muss der verfolgte Zweck durch ein Bundesgesetz anerkannt sein.
Muss ein Privater eine Enteignung oder eine sehr intensive Beschränkung seines Eigentums hinnehmen, steht ihm prinzipiell eine Entschädigung zu. Das ergibt sich aus Art. 26 Abs. 2 BV. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen, in denen ein Privater nur wenig intensive Eingriffe in sein Eigentum dulden muss, besteht kein Entschädigungsanspruch.

Rechtsquellen:

Ein Beitrag unserer juristischen Online-Redaktion
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