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Werklieferungsvertrag § Definition, Rechtslage & Abgrenzung

Beauftragen Sie einen Unternehmer damit, einen massgeschneiderten Anzug oder ein nach Ihren individuellen Vorgaben hergestelltes Möbelstück zu liefern, schliessen Sie oft keinen „einfachen“ Kaufvertrag ab. Unabhängig davon, ob Sie diese Vertragsart kennen oder nicht, haben Sie es häufig mit einem Werklieferungsvertrag zutun. Was genau ein Werklieferungsvertrag ist, welches Recht auf die Vertragsart anwendbar ist und mit welchen anderen Vertragsarten er häufig verwechselt wird, erfahren Sie im Folgenden.
Inhaltsverzeichnis

Rechtslage zum Werklieferungsvertrag

Wird ein Werklieferungsvertrag – oft auch schlicht Werkliefervertrag genannt – geschlossen, verpflichtet sich ein Unternehmer dazu, ein vom Besteller gewünschtes Werk herzustellen und ausserdem die zur Herstellung benötigten Werkstoffe zu liefern. Der Besteller verpflichtet sich im Gegenzug dazu, dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Rechtlich betrachtet ist ein Werklieferungsvertrag als Werkvertrag zu behandeln (BGE 103 II 33). Dementsprechend sind die gesetzlichen Vorschriften zu Werkverträgen (Art. 363 ff. Obligationenrecht (OR)) auf Werklieferungsverträge anwendbar. 

Infografik Werklieferungsvertrag
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Nur in bestimmten Ausnahmefällen können Vorschriften zu Kaufverträgen auf Werklieferungsverträge anwendbar sein. Eine solche Ausnahme ergibt sich etwa aus Art. 365 Obligationenrecht (OR): Hat der Unternehmer die Lieferung von Werkstoffen übernommen, muss er für deren Güte wie ein Verkäufer einstehen.

Definition & Bedeutung von Werklieferungsverträgen

Ein Werklieferungsvertrag ist der Definition nach daher ein Vertrag über die Herstellung einer neuen Sache und die Lieferung des benötigten Werkstoffes. Dabei ist ausreichend, wenn der Unternehmer nur einen Teil (nicht aber alle) zur Herstellung des Werkes erforderlichen Werkstoffe selbst liefert. Dieser Vertrag kommt wie viele andere durch zwei übereinstimmende Willensäusserungen der Vertragsparteien zusammen. Das besondere an diesem Vertrag ist, dass hier nicht wie beim herkömmlichen Werkvertrag der Besteller, sondern der Unternehmer selbst die Stofflieferung durchführt.

Was unterscheidet einen Werklieferungs- von einem „herkömmlichen“ Werkvertrag?

Wird ein „herkömmlicher“ Werkvertrag oder Bauwerkvertrag geschlossen, ist der Unternehmer lediglich dazu verpflichtet, ein bestimmtes Werk zu erstellen. Die benötigten Werkstoffe werden allerdings vom Besteller bereitgestellt. Wird hingegen ein Werklieferungsvertrag geschlossen, muss der Unternehmer auch das zum Bau notwendige Material liefern.

Ausnahmefall: Internationale Werklieferungsverträge

Wird ein internationaler Werklieferungsvertrag geschlossen, an welchem Vertragsparteien aus unterschiedlichen Ländern beteiligt sind, kann der Vertrag dem sogenannten „Wiener Kaufrecht“ unterstehen. Im Rahmen dieses Übereinkommens werden auch Werklieferungsverträge als „Kaufverträge über Waren“ behandelt. Dementsprechend können auch Schweizer Werklieferungsverträge mit Beteiligten aus verschiedenen Nationen – in rechtlicher Hinsicht – zu Kaufverträgen werden.Ob im konkreten Einzelfall von einem Werklieferungsvertrag oder einem Kaufvertrag auszugehen ist, muss stets für den konkreten Einzelfall beurteilt werden. In Streitfällen muss ein Gericht darüber entscheiden, welche Vertragsart vorliegt bzw. welches Recht anwendbar ist.

Abgrenzung des Werklieferungsvertrags von ähnlichen Vertragsarten

Aufgrund der beiden Leistungselemente Werkherstellung und die Pflicht zur zumindest teilweisen Stofflieferung können sich Abgrenzungsprobleme zu anderen Vertragsarten, die ebenfalls mehrere Leistungselemente mitbringen, ergeben. Besonders schwierig kann es oft sein, Werklieferungsverträge von einem „Kauf mit Montagepflicht“ oder einem „Kauf über eine künftige Sache“ zu unterscheiden. Im Unterschied zum Werklieferungsvertrag sind auf den Kauf mit Montagepflicht die gesetzlichen Regelungen zum Kaufvertrag aus den Art. 184 ff. Obligationenrecht (OR) anwendbar. Ausserdem ist man beim Kauf mit Montagepflicht auch zur Montage der Kaufsache verpflichtet.

Weiters gibt es eine Abgrenzung zum Kauf über eine künftige Sache. Wird ein Vertrag über den Kauf einer künftigen Sache abgeschlossen, ist der Verkäufer dazu verpflichtet, dem Käufer eine Sache zu verschaffen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (noch) nicht existent ist. Anders als bei einem Werklieferungsvertrag ist der Verkäufer allerdings nicht dazu verpflichtet, die Sache selbst herzustellen – er kann die versprochene Sache also auch von einem Dritten zukaufen. Liegt ein Vertrag über den Kauf einer künftigen Sache vor, sind die Regelungen zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. Obligationenrecht (OR)) auf den Vertrag anwendbar.

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Warum ist die Abgrenzung zwischen Werklieferungsverträgen und anderen Vertragsarten wichtig?

Ob ein geschlossener Vertrag als Werklieferungsvertrag oder als Kauf mit Montagepflicht bzw. Kauf künftiger Sachen zu qualifizieren ist, kann insbesondere für Sie als Besteller bzw. Käufer wichtig sein. Das hat folgenden Grund: Auf den Werklieferungsvertrag sind die gesetzlichen Regelungen zu Werkverträgen anzuwenden.

Auf die anderen beiden Vertragsarten sind die gesetzlichen Regelungen zu Kaufverträgen anwendbar. Auf den ersten Blick mag es sich hierbei um eine juristische Feinheit handeln. Gelegentlich kann die Frage nach dem anwendbaren Recht jedoch von grosser Bedeutung sein. Welches Recht anwendbar ist, entscheidet nämlich darüber, welche Rechte Ihnen etwa dann zustehen, wenn die gelieferte bzw. hergestellt Sache mangelhaft ist. Ausserdem kann die Frage nach dem anwendbaren Recht Ihre Möglichkeit, von dem geschlossenen Vertrag zurücktreten, beeinflussen. Schliesslich sehen Werkvertrags- und Kaufrecht in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedliche Regelungen vor.

Hierzu ein Beispiel:

Ist ein geschlossener Vertrag rechtlich als Kaufvertrag zu behandeln, können Sie nur dann vom Vertrag zurücktreten, wenn Ihr Vertragspartner seine Leistungspflichten trotz mehrfacher Aufforderung Ihrerseits nicht erfüllt – vgl. Art 107 Obligationenrecht (OR). Ist Ihr Vertrag hingegen als Werklieferungsvertrag und damit rechtlich betrachtet als Werkvertrag zu qualifizieren, haben Sie ein erweitertes Rücktrittsrecht. Bei einem Werklieferungsvertrag ist ein Rücktritt nämlich aus mehreren Gründen (z. B. bei vorhersehbarem Verzug oder Kostenüberschreitung) möglich.

Inhalt von Werklieferungsverträgen

Werklieferungsverträge bestehen stets aus einer Kombination von Leistungselementen. Die Pflichten des Werklieferungsvertrages richten sich zum Teil an den Unternehmer und an den Besteller. Der Vertrag umfasst sowohl die Pflicht zur Werkherstellung (Hauptpflicht) einer Sache als auch die Pflicht zur zumindest teilweisen Lieferung benötigter Stoffe (nachgeordnete oder subsidiäre Pflicht).
Folgende Vertragsinhalte sind besonders wichtig:

  • Vertragsparteien
  • Hauptpflicht: Plicht zur Werkherstellung (Unternehmer)
  • Subsidiäre Pflicht: Pflicht zur teilweisen Stofflieferung (Unternehmer)
  • Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Vergütung (Besteller)
  • Bestimmungen zur Vertragsbeendigung und Mängelhaftung des Unternehmers
  • Standardklauseln wie z. B. Schriftformvorbehalt und anwendbares Recht

Wie kann ein Anwalt Sie rund um den Werklieferungsvertrag unterstützen?

Gerade für den juristischen Laien ist es oft schwierig, Werklieferungsverträge von anderen Vertragsarten mit ähnlichen Leistungspflichten zu unterscheiden. Allerdings ist die Unterscheidung wichtig, um im Einzelfall festzustellen, welche Rechte und Pflichten sich für Sie und Ihren Vertragspartner aus der geschlossenen Vereinbarung ergeben. Ein Anwalt für Bauverträge kann Ihnen in diesem Zusammenhang dabei helfen, bereits geschlossene oder zukünftig zu schliessende Verträge rechtlich einzuordnen. Die rechtliche Vertragseinordnung hilft Ihnen dabei, zu erkennen, welche Leistungen Sie von Ihrem Vertragspartner fordern können. Ausserdem ergibt sich aus ihr, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben, falls es zu Problemen und Konflikten rund um die Vertragserfüllung kommt.

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FAQ: Werklieferungsvertrag

Bei einem Werklieferungsvertrag handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, die einen Unternehmer dazu verpflichtet, ein Werk herzustellen und die zur Herstellung erforderlichen Werkstoffe zumindest teilweise zu liefern. Der Besteller wird durch den Vertrag im Gegenzug dazu verpflichtet, eine vereinbarte Vergütung zu zahlen.
Der Werklieferungsvertrag kann – genauso wie die meisten anderen Verträge – durch die Abgabe von zwei übereinstimmenden Willensäusserungen durch Unternehmer und Besteller geschlossen werden. Der Vertragsschluss ist nicht formgebunden und auch mündliche möglich. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Vertragspartner den Vertrag explizit als Werklieferungsvertrag bezeichnen.
Rechtlich werden Werklieferungsverträgen wie Werkverträge behandelt. Auf sie sind daher die Regelungen der Art. 363 ff. Obligationenrecht (OR) anwendbar. Nur in einigen Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass Vorschriften zu Kaufverträgen auf Werklieferungsverträge angewendet werden.

Rechtsquellen:

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